Der Eklat ereignete sich während der Wahl zum Oberrheinrat. Als die Stimmzettel ausgezählt wurden, entdeckte man auf einem von ihnen das Symbol des Nationalsozialismus – eine Tat, die Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) umgehend und mit scharfen Worten als "Schande für dieses Parlament" und "Straftat" verurteilte. Zunächst war der Urheber unbekannt. Doch der Druck wuchs, und bald bekannte sich Daniel Born zu der Tat und legte sein Amt nieder.
In einem bemerkenswerten, der Stuttgarter Zeitung vorliegenden Schreiben versucht Born, sein Handeln zu erklären. Er spricht von einer "Kurzschlussreaktion" und einem "schwerwiegenden Fehler". Doch anstatt einer bedingungslosen Entschuldigung für die Verwendung eines der abscheulichsten Symbole der Menschheitsgeschichte, folgt eine politische Anklage gegen den politischen Gegner. Die AfD, so Born, sei eine "gesichert rechtsextreme, die Demokratie verachtende Partei", und die "zunehmende Gewöhnung" an sie lasse ihm "keine ruhige Minute mehr".
Weiter führt er aus, dass ihn insbesondere eine Rede einer AfD-Abgeordneten über transsexuelle Kinder sowie die "Chaotisierung der Parlamentsarbeit" durch die AfD "intensiv aufgewühlt" hätten. "Nur so", schreibt Born, könne er sich seinen Fehler erklären. Diese Argumentationslinie ist mehr als nur eine persönliche Rechtfertigung; sie ist symptomatisch für einen wachsenden Teil des politischen Spektrums, der den Kampf gegen die AfD als einen übergeordneten Zweck betrachtet, der scheinbar auch Grenzüberschreitungen legitimiert. Der Zweck heiligt die Mittel – selbst wenn diese Mittel die Verwendung von Nazi-Symbolen umfassen.
Kritiker werfen hier eine eklatante Doppelmoral vor. Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich die mediale und politische Reaktion vorzustellen, hätte ein AfD-Politiker ein Symbol einer linksextremen Diktatur auf einen Stimmzettel neben den Namen eines SPD-Politikers gezeichnet. Die Berichterstattung der Tagesschau, die den Vorfall unter "Inland regional" einordnete, wird von Beobachtern als Beleg für eine unausgewogene Wahrnehmung gewertet. Talkshows und Sondersendungen, die bei Verfehlungen von AfD-Politikern regelmäßig die "Gefahr für die Demokratie" beschwören, blieben aus.
Die Ironie des Vorgangs liegt auf der Hand: Im Versuch, die AfD als Hass und Hetze verbreitende Partei zu demaskieren, bedient sich ein hochrangiger Repräsentant der Demokratie ebenjener Symbolik, deren Wiederkehr er zu bekämpfen vorgibt. Damit, so der Vorwurf, normalisieren gerade diejenigen die Symbole des Dritten Reiches, die am lautesten vor einer Normalisierung der AfD warnen. Der ständige, fast inflationäre Gebrauch von Nazi-Vergleichen nutzt sich ab und führt offenbar dazu, dass die Hemmschwelle zur Verwendung der Originalsymbole sinkt – zumindest, wenn es "im Affekt" und gegen den "richtigen" Gegner geschieht.
Daniel Born, der in seinem Schreiben seine Liebe zur "Demokratie, Vielfalt und Zusammenhalt" beteuert und sich als "Quermensch" positioniert, wollte nach eigener Aussage zeigen, dass "Stimmen für die AFD (...) immer Stimmen für rechten Hass und Hetze sind". Doch was er tatsächlich gezeigt hat, ist, dass sein eigener Hass auf den politischen Gegner ihn zu einer Handlung verleitet hat, die dem Ansehen der "Herzkammer der Demokratie", wie er den Landtag nennt, massiven Schaden zugefügt hat.
Die Debatte wird durch Stimmen wie die des ehemaligen ZDF-Drehbuchautors Mario Sixtus weiter befeuert. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) kommentierte er den Vorfall mit den Worten: "Ehrlich gesagt, hm, so ganz verstehe ich nicht, warum es ein Skandal sein soll, neben dem Namen eines Abgeordneten der Faschistenpartei das Zeichen einer anderen Faschistenpartei zu platzieren." Diese Aussage, so zynisch sie klingen mag, legt die Denkweise offen, die Borns Tat zugrunde liegen könnte: Wenn der Gegner erst einmal zum "Faschisten" erklärt ist, scheint jedes Mittel gegen ihn erlaubt.
Der Fall Born ist somit mehr als das persönliche Versagen eines Politikers. Er ist ein Lehrstück über die Gefahren der moralischen Selbsterhöhung im politischen Kampf. Wer dem politischen Gegner permanent und pauschal die Menschlichkeit und demokratische Legitimität abspricht, läuft Gefahr, die eigenen moralischen und rechtlichen Standards zu verlieren. Es bleibt abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufnehmen wird. Unabhängig vom juristischen Nachspiel bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Die Demokratie wird nicht verteidigt, indem man ihre fundamentalen Regeln im Namen einer vermeintlich höheren Moral bricht.