Sanaa/Tel Aviv, 07. Juli 2025 – Nach Monaten relativer Ruhe ist die explosive Lage im Roten Meer erneut eskaliert. Die Huthi-Rebellen im Jemen haben gestern, erstmals seit Dezember 2024 und seit Inkrafttreten eines Waffenstillstandsabkommens mit den Vereinigten Staaten im Mai, ein Handelsschiff angegriffen und möglicherweise versenkt. Die israelische Luftwaffe reagierte umgehend mit einer großangelegten Operation gegen zahlreiche Huthi-Ziele im gesamten Jemen. Die Region, ohnehin ein Pulverfass, steht einmal mehr am Rande eines gefährlichen Flächenbrandes.
Israels "Operation Schwarze Flagge": Ein Vergeltungsschlag der Entschlossenheit
Kurz vor Mitternacht am 6. Juli, gegen 23:00 Uhr jemenitischer Zeit, schlugen 20 israelische Kampfflugzeuge mit über 50 Munitionen fünf Hauptziele im Jemen. Bemerkenswert ist, dass dem Angriff eine Evakuierungswarnung des IDF-Sprechers vorausging, was auf eine geplante und koordinierte Aktion hindeutet. Die Huthi-Rebellen behaupten ihrerseits, die israelische Luftwaffe erfolgreich abgewehrt zu haben, wobei sie von einer „jemenitischen Luftwaffe“ sprechen – wohl eine Verwechslung oder gezielte Rhetorik für ihre Luftverteidigungssysteme, insbesondere ihre Boden-Luft-Raketen. Weder die Huthi noch Israel melden jedoch den Abschuss gegnerischer Flugzeuge. Die Huthi sprechen lediglich davon, die israelischen Jets verwirrt und zum Rückzug gezwungen zu haben – eine Behauptung, für die es keine unabhängigen Belege gibt.
Rund dreieinhalb Stunden nach den israelischen Angriffen wurden in Israel Alarmsysteme ausgelöst, als zwei Huthi-Raketen aus dem Jemen kommend entdeckt wurden. Abfangversuche wurden unternommen, und die Raketen scheinen nicht in den israelischen Luftraum eingedrungen zu sein, fielen aber dennoch nieder. Berichte über Opfer gibt es bislang keine.
Das Statement der IDF nach dem Angriff ließ keine Zweifel an der Härte des israelischen Vorgehens: "Die IDF hat militärische Ziele des Huthi-Terrorregimes in den Häfen von Al-Huda, Ross Issa, Saliff und dem Kraftwerk Ross Kanatib angegriffen. Diese Häfen werden vom Huthi-Terrorregime zur Verbringung von Waffen aus dem iranischen Regime genutzt, die zur Durchführung terroristischer Operationen gegen den Staat Israel und seine Verbündeten eingesetzt werden."
Verteidigungsminister Katz erklärte die Operation namens "Schwarze Flagge" mit den Worten: „Wie ich gewarnt habe, ist Jemens Gesetz dasselbe wie Teherans: Wer versucht, Israel zu schaden, wird verletzt werden, und wem seine Hand gegen Israel erhebt, dem wird die Hand abgeschlagen. Die Huthi werden weiterhin einen hohen Preis für ihre Handlungen zahlen.“
Die Galaxy Leader: Ein Symbol der Eskalation
Ein zentrales Ziel des israelischen Angriffs war der Hafen von Ross Issa, wo die "Galaxy Leader" lag. Dieses Handelsschiff, das im November 2023 von den Huthi in einer spektakulären Aktion gekapert wurde, diente den Rebellen laut IDF als Beobachtungsposten: "Huthi-Kräfte hatten ein Radarsystem auf dem Schiff installiert und es zur Verfolgung von Schiffen in der internationalen Seeverkehrsarena genutzt, um weitere terroristische Aktivitäten zu erleichtern."
Die Kaperung der "Galaxy Leader" im vergangenen Jahr, bei der Huthi-Kämpfer per Hubschrauber an Bord gingen, hatte viele Beobachter überrascht und die Fähigkeiten der Rebellen verdeutlicht. Die Besatzung wurde damals gefangen genommen, später jedoch freigelassen. Das Schiff selbst blieb bis zum jüngsten israelischen Angriff unter Huthi-Kontrolle. Aktuelle Bilder oder verlässliche Berichte über den Zustand des Schiffs nach dem israelischen Angriff sind kaum verfügbar, was die Einschätzung des tatsächlichen Schadens erschwert.
Huthis Rhetorik: "Made in Yemen" und die Rolle des Iran
Auf Huthi-Seite wurde die israelische Aggression scharf verurteilt. Sie betonen den erfolgreichen Einsatz ihrer Luftabwehr, die „mit einer großen Menge lokal hergestellter Boden-Luft-Raketen“ operiert habe. Die Betonung der „lokalen Herstellung“ ist hierbei eine konstante Behauptung der Huthi. Experten sind sich jedoch einig, dass es sich dabei meist um im Jemen zusammengebaute iranische Bauteile handelt, die ins Land geschmuggelt werden – eine Art "IKEA-Möbelbau" für Waffen, wie es ein Beobachter treffend formulierte.
Muhammad Alfara, Mitglied des politischen Büros der Huthi, erklärte: „Die israelische Aggression gegen den Jemen ist kriminell und erfolgte mit grüner Ampel und amerikanisch-westlicher Unterstützung. Es ist ein verzweifelter Versuch, der den Jemen nicht von seiner unterstützenden Haltung gegenüber den Unterdrückten in Gaza abhalten wird.“
Kurz nach dem israelischen Angriff feuerten die Huthi zwei ballistische Raketen auf Israel ab. Berichte über Einschläge oder Schäden liegen jedoch nicht vor. Die Diskrepanz zwischen Huthi-Angaben (sie sprachen von 11 Raketen und Drohnen auf verschiedene Ziele) und israelischen Meldungen (zwei Raketen) ist hierbei auffällig und deutet auf eine gezielte Informationspolitik der Huthi hin.
Der fragile Waffenstillstand: Zwischen den Zeilen des US-Huthi-Deals
Der Angriff auf das Handelsschiff "Magic Seas" (israelischer Besitz, unter griechischer Flagge fahrend) markiert eine beunruhigende Zäsur. Sieben Monate lang hatte es keine derartigen Angriffe auf die Handelsschifffahrt im Roten Meer oder im Golf von Aden gegeben – die längste Periode der Ruhe seit Beginn der Huthi-Angriffe nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober.
Die große Frage ist nun: Verletzt dies den Waffenstillstand zwischen den USA und den Huthi? Das am 6. Mai 2025 in Kraft getretene Abkommen war ein informelles "Handschlag-Abkommen": Die USA greifen die Huthi nicht an, und die Huthi greifen keine US-Schiffe an. Präsident Trump hatte diesen Waffenstillstand als Erfolg gefeiert, der die „Navigationsfreiheit im Roten Meer für US-geflaggte Schiffe wiederherstelle“.
Technisch gesehen, so die Einschätzung von Beobachtern, mag der Angriff auf ein nicht-amerikanisches Handelsschiff den Wortlaut des Abkommens nicht direkt verletzen. Doch er untergräbt das Vertrauen und zeigt die Grenzen dieser Übereinkunft auf. Die USA haben nach dem jüngsten Angriff bisher keine direkte militärische Reaktion gegen die Huthi signalisiert, was darauf hindeutet, dass sie den Waffenstillstand nicht aufs Spiel setzen wollen, solange US-Schiffe nicht direkt angegriffen werden.
Gazas Schatten: Der zentrale Antrieb der Huthi
Die Huthi selbst bleiben in ihrer Botschaft konsistent: Alle ihre Angriffe, einschließlich des jüngsten auf das Handelsschiff, begründen sie mit der Belagerung des Gazastreifens. Sie betonen stets, ihre Angriffe würden sofort eingestellt, sobald die Blockade aufgehoben und humanitäre Hilfe ungehindert nach Gaza gelangen könne.
Diese Haltung ist bemerkenswert, da die Huthi in jüngster Zeit nicht als direkte Verteidiger des Iran in Erscheinung getreten sind, obwohl der Iran als ihr Hauptversorger gilt und in den letzten Wochen massiven Angriffen ausgesetzt war – von hochrangigen Kommandeuren über Raketenstellungen bis hin zu Nuklearanlagen. Die Huthi-Reaktionen auf diese Angriffe waren auffallend verhalten, beschränkten sich auf laute Erklärungen, aber keine substanziellen Militäraktionen. Dies deutet darauf hin, dass ihre primäre Motivation im aktuellen Konflikt tatsächlich Gaza ist und nicht die Verteidigung ihres Verbündeten Iran.
Die Lage bleibt extrem volatil. Während in Gaza über einen Waffenstillstand verhandelt wird, der in naher Zukunft möglich sein könnte, dürften die einseitigen Angriffe zwischen Israel und den Huthi fortgesetzt werden. Der internationale Schiffsverkehr im Roten Meer, der sich bereits auf etwa 60% des normalen Niveaus reduziert hat, wird wahrscheinlich weiter unter Druck geraten. Die "Magic Seas" könnte ein unheilvolles Omen sein für eine Region, die kaum zur Ruhe kommt.