Es begann, wie so oft in amerikanischen Erfolgsgeschichten, mit unternehmerischem Eifer in Kindertagen. Geboren 1930 in Omaha, Nebraska, entdeckte der junge Warren früh seine Leidenschaft für das Geschäft. Ein Buch mit dem Titel „A Thousand Ways to Make $1,000“ wurde zur Initialzündung. Mit elf Jahren, einer Zeit, in der andere Jungen mit Spielzeugsoldaten hantieren, wagte er seinen ersten Schritt an die Börse. Mit 114,75 Dollar Erspartem kaufte er drei Aktien von Cities Service. Der Kurs fiel prompt und lehrte ihn eine erste Lektion in Volatilität und Nervenstärke. Er hielt die Papiere, verkaufte mit einem kleinen Gewinn bei 40 Dollar – nur um kurz darauf mit ansehen zu müssen, wie die Aktie auf über 200 Dollar schoss. Die zweite, weitaus schmerzhaftere Lektion war gelernt: Ungeduld ist der teuerste Fehler an der Börse.
Die Graham-Doktrin: Die Kunst, den letzten profitablen Zug aus Zigarrenstummeln zu ziehen
Diese frühen Erfahrungen formten einen Charakter, der durch Sparsamkeit und den unbedingten Willen zur Kapitalvermehrung geprägt war. Mit 15 hatte er bereits ein Vermögen von 2.000 Dollar angehäuft, was heute über 35.000 Dollar entspricht. Doch für den grossen Sprung brauchte es eine fundierte Methode. Diese fand er in Benjamin Grahams wegweisendem Buch „The Intelligent Investor“. Die Lektüre war so prägend, dass Buffett sich an der Columbia Business School einschrieb, um direkt von Graham zu lernen.
Grahams Philosophie war das, was Buffett später als „Cigar Butt Investing“ (Zigarrenstummel-Investieren) bezeichnete. Die Idee: Man sucht nach Unternehmen, die von der Wall Street wie ein weggeworfener Zigarrenstummel behandelt werden – fast wertlos, aber mit einem letzten, kostenlosen und profitablen Zug. Es ging darum, Firmen zu kaufen, die für weniger als ihr Nettovermögen gehandelt wurden. Ein Paradebeispiel war die Sanborn Map Company. Ein Unternehmen mit einem sterbenden Geschäftsmodell, aber einer prall gefüllten Bilanz voller Wertpapiere. Die Aktie notierte bei 45 Dollar, der Wert des Investmentportfolios allein betrug 65 Dollar pro Aktie. Buffett kaufte, wurde zum aktivistischen Investor und zwang das Management, den wahren Wert freizusetzen – ein Gewinn von 44 Prozent.
Die Munger-Revolution: Warum eine wunderbare Firma besser ist als eine billige
Mit seiner 1956 gegründeten Investmentpartnerschaft perfektionierte Buffett diesen Ansatz und erzielte fast 26 Prozent Jahresrendite. 1962 wurde er mit 32 Jahren zum Millionär. Doch das Marktumfeld änderte sich, und die Zigarrenstummel wurden rar. Parallel dazu trat ein Mann entscheidend in sein Leben, der seine Strategie für immer verändern sollte: Charlie Munger.
Munger, ein scharfsinniger Jurist und Investor, überzeugte Buffett von einer radikal neuen Idee: „Es ist besser, ein wunderbares Unternehmen zu einem fairen Preis zu kaufen als ein faires Unternehmen zu einem wunderbaren Preis.“ Qualität schlägt Billigpreis. Diese Abkehr von der reinen Graham-Lehre war der entscheidende Wendepunkt für das zukünftige Imperium Berkshire Hathaway – eine dahinsiechende Textilfirma, die Buffett eher aus Verärgerung denn aus Überzeugung vollständig übernommen hatte.
Der erste Test für die neue Philosophie kam 1972 mit See's Candies. Der Pralinenhersteller von der Westküste war eine Marke mit treuen Kunden und Preissetzungsmacht. Doch der Preis von 25 Millionen Dollar schien für ein Unternehmen mit nur 8 Millionen an materiellen Vermögenswerten exorbitant. Buffett zögerte, doch Munger drängte. Buffett gab nach, und es wurde das Geschäft seines Lebens. See's Candies hat Berkshire Hathaway seither über 2 Milliarden Dollar an Gewinnen beschert – eine Rendite von über 8.000 Prozent. Die Lektion war verinnerlicht: Der wahre Wert liegt im „Moat“, dem wirtschaftlichen Burggraben, der eine Firma vor Konkurrenz schützt.
Das Zeitalter der Elefanten: Coca-Cola, Krisenprofite und die Macht der Geduld
Mit dieser neuen Strategie begann Buffett, nach „Elefanten“ zu jagen – Investments, die gross genug waren, um für das wachsende Vermögen von Berkshire Hathaway einen Unterschied zu machen. 1988 investierte er über eine Milliarde Dollar in Coca-Cola. Nach dem Börsencrash von 1987 war die Aktie angeschlagen, doch das Geschäft – der weltweite Verkauf von zuckerhaltigen Getränken – war intakt wie eh und je. Buffett erkannte den unschlagbaren Markennamen als ultimativen „Moat“. Heute ist diese Investition über 25 Milliarden Dollar wert, und die jährlichen Dividenden übersteigen die ursprünglichen Anschaffungskosten bei Weitem.
Sein Ruf als Fels in der Brandung zementierte sich in Krisenzeiten. Während der Dotcom-Blase Ende der 90er-Jahre wurde er als gestrig belächelt, weil er Tech-Werte mied. Als die Blase platzte, stand er als lachender Sieger da. In der Finanzkrise 2008 wurde er zum Retter in der Not, der Unternehmen wie Goldman Sachs mit Kapital versorgte – zu Konditionen, die für Berkshire extrem profitabel waren.
Die Apple-Wette: Wie Buffett doch noch zum Tech-Milliardär wurde
Der vielleicht überraschendste Schachzug seiner Karriere erfolgte 2016. Ausgerechnet Buffett, der Technologie jahrzehntelang gemieden hatte, stieg im grossen Stil bei Apple ein. Er betrachtete Apple weniger als Tech-Firma, sondern als Konsumgüterunternehmen mit einer extrem loyalen Kundenbasis und einem Ökosystem, das wiederkehrende Einnahmen garantiert – ein perfekter „Moat“ des 21. Jahrhunderts. Berkshire investierte rund 30 Milliarden Dollar. Auf dem Höhepunkt war die Position 160 Milliarden Dollar wert und machte die Hälfte von Berkshires Aktienportfolio aus.
Warren Buffetts Weg von 1.000 Dollar zu über 160 Milliarden ist mehr als nur eine Aneinanderreihung kluger Deals. Es ist der Beweis, dass konsequentes, prinzipientreues Investieren, gepaart mit Geduld und der Disziplin, auf die richtigen Gelegenheiten zu warten, ausserordentlichen Reichtum schaffen kann. Sein Vermögen ist das Ergebnis eines Schneeballs, der vor fast achtzig Jahren ins Rollen kam und seitdem unaufhaltsam an Grösse gewinnt.