Klarnas Paradoxon: Wie der Ratenkauf-Gigant die Welt eroberte und sich selbst in die Schuldenfalle manövrierte

Klarna revolutionierte den Online-Handel, doch hinter der Fassade des "Buy Now, Pay Later"-Giganten verbergen sich wachsende Verluste und eine Praxis, die Kunden und das Unternehmen selbst in die Schulden treibt.

The scene shows a sleek, modern, minimalist storefront made of polished white marble and glass. A vibrant, glowing pink neon sign spells out "KLARNA". The left half of the image is perfect, clean, and inviting, reflecting a bright, optimistic sky. The right half of the image is decaying. The marble facade is cracked and crumbling, revealing a dark, cavernous interior filled with dusty, overflowing stacks of old ledgers, overdue bills bound in chains, and broken piggy banks. The lighting is dramatically split: the left side is bathed in bright, hopeful light, while the right side is cast in ominous shadows and a sickly, dim light emanating from the decaying interior. The transition between the two halves should be sharp yet artistically blended, symbolizing a hidden truth.

Man kann ein Haus finanzieren, ein Auto, einen Fernseher – und neuerdings sogar einen Hotdog bei Costco. "Buy Now, Pay Later" (BNPL), zu Deutsch "Jetzt kaufen, später zahlen", ist mehr als nur ein Slogan; es ist das allgegenwärtige Geschäftsmodell des schwedischen Fintech-Unternehmens Klarna. Kaum ein Online-Shop, kaum eine Webseite, die auf das auffällige pinke Logo verzichtet. Mit Milliarden an Risikokapital, über 100 Millionen aktiven Nutzern und Werbekampagnen mit internationalen Stars schien Klarna auf einem unaufhaltsamen Siegeszug. Doch hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich eine beunruhigende Wahrheit: Das Unternehmen, das die Welt des Konsums revolutionierte, kämpft selbst mit massiven Verlusten und steht vor einer unsicheren Zukunft.

Die Geschichte von Klarna ist untrennbar mit der seines Gründers, Sebastian Siemiatkowski, verbunden. In den frühen 2000er-Jahren arbeitete er im Forderungsmanagement – ein wenig glamouröser Job, der ihm jedoch tiefe Einblicke in ein fundamentales Problem des Online-Handels gewährte. Immer wieder hörte er von Händlern den gleichen frustrierten Satz: "Wir stellen den Rechnungskauf ein, weil wir unser Geld nicht bekommen." Die Kreditausfälle waren zu hoch. Kunden bestellten, doch wenn die Rechnung fällig wurde, blieb die Zahlung aus. Die Händler blieben auf den Kosten sitzen.

In Siemiatkowskis Kopf begann es zu rattern. Was wäre, wenn eine dritte Partei das Risiko übernehmen würde? Ein Dienstleister, der dem Händler die Kaufsumme sofort erstattet, die Transaktion abwickelt und sich anschließend selbst um die Eintreibung der Schuld beim Kunden kümmert. Ein Gewinn für den Händler, der seine Ware sicher verkauft, und ein Gewinn für den Dienstleister, der an der Transaktion verdient. Als sein damaliger Arbeitgeber die Idee ablehnte, kündigte Siemiatkowski und schrieb sich 2005 an der Stockholm School of Economics ein. Zusammen mit seinen Kommilitonen Niklas Adalberth und Victor Jacobsson gründete er Klarna.

Der Start war holprig. Bei einem Gründerwettbewerb an ihrer Universität stieß die Idee auf blankes Unverständnis. "Das wird niemals funktionieren, und wenn doch, würden die Banken es einfach selbst machen", urteilte ein Juror. Das Trio glaubte fest an seine Vision, doch ohne Kapital schien sie zum Scheitern verurteilt. Die Rettung kam in Form einer prominenten schwedischen Angel-Investorin, Jane Walerud. Ihr Angebot war jedoch hart: 60.000 Euro Startkapital für 10 % der Firmenanteile und zusätzlich fünf Entwickler für neun Monate im Tausch gegen weitere 37 %. Die Gründer gaben fast die Hälfte ihres Unternehmens ab, doch es war die einzige Chance. "Es war eine schwere Entscheidung, aber uns war klar, dass wir etwas Großes aufbauen wollten und dafür Anteile abgeben mussten", so Siemiatkowski später.

Es war die richtige Entscheidung. Klarna explodierte förmlich. Risikokapital floss in Strömen – aus Millionen wurden Hunderte Millionen, schließlich Milliarden. Das Unternehmen stieg zu einem der wertvollsten "Unicorns" Schwedens auf. Das BNPL-Modell, das sie perfektionierten, ist bestechend einfach: Ein Händler integriert Klarna in seinen Checkout und zahlt eine Provision von 3 % bis 6 % pro Transaktion. Der Kunde erhält flexible Zahlungsoptionen: in Raten, nach 30 Tagen oder über eine Finanzierung von bis zu 36 Monaten. Die beliebteste Variante ist die zinsfreie Zahlung in vier Raten. Klarna bezahlt den Händler sofort und vollständig und wird zum alleinigen Ansprechpartner für den Kunden.

Von 2019 bis 2021 wuchs das Volumen der BNPL-Kredite allein in den USA um über 1.000 Prozent auf mehr als 24 Milliarden Dollar. Eine Revolution, angeführt von Klarna, doch bald drängten Konkurrenten wie Afterpay und Affirm auf den Markt, und selbst etablierte Riesen wie PayPal sprangen auf den Zug auf.

Doch der bequeme Ratenkauf hat eine dunkle Seite. Kritiker bezeichnen das Modell als "Alltagsschulden". Während Kredite für ein Haus oder ein Auto oft eine Notwendigkeit sind, verleitet Klarna dazu, auch kleinste Konsumwünsche aufzuschieben und die Konsequenzen auszublenden. Das Problem: Wer kauft, muss auch zahlen. Doch genau hier setzt Klarnas Strategie an. Der Anmeldeprozess ist verdächtig einfach gehalten. Name, Adresse, Geburtsdatum – mehr braucht es oft nicht. Im Hintergrund führt Klarna eine "weiche" Kreditauskunft durch, die für andere Kreditgeber unsichtbar ist und den eigenen Score nicht beeinflusst. Diese niedrige Hürde lockt insbesondere finanziell anfällige Personen an, die bereits Kreditkartenschulden haben oder über eine geringe Finanzkompetenz verfügen.

Wer einmal in die Falle getappt ist, kommt oft nur schwer wieder heraus. Das sogenannte "Stacking" – die Anhäufung mehrerer BNPL-Kredite mit unterschiedlichen Fälligkeitsterminen – führt schnell zu einem unübersichtlichen Schuldenberg. Da die BNPL-Anbieter die Aktivitäten ihrer Kunden bei der Konkurrenz nicht prüfen, kann ein bei Klarna bereits hoch verschuldeter Kunde problemlos weitere Verbindlichkeiten bei Afterpay oder anderen Diensten eingehen.

Zwar sind die Ratenpläne oft zinsfrei, doch bei Zahlungsverzug werden Mahngebühren fällig. In den USA beispielsweise 7 Dollar pro verpasster Zahlung. Was fair klingt, summiert sich bei gestapelten Schulden schnell zu einem erheblichen Betrag. Wer eine Rate verpasst, verpasst mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die folgenden. Dies ist kein unerwünschter Nebeneffekt, sondern ein zentraler Teil des Geschäftsmodells. In einem Interview gab Siemiatkowski unumwunden zu: "Der beste Kunde ist der, der nicht direkt zahlt, sondern eine Mahnung und dann auch ein Inkassoschreiben erhält, weil wir dann die gesetzlich geregelten Gebühren aufschlagen können. Ja, wir sind auch unser eigenes Inkassounternehmen."

Ironischerweise ist Klarna, das Unternehmen, das sein Geld mit den Schulden anderer verdient, selbst in eine massive Schuldenfalle geraten. Ein Blick auf die Finanzen offenbart das wahre Ausmaß der Krise. Im ersten Quartal 2025 meldete Klarna zwar einen bereinigten Betriebsgewinn (EBITDA) von 3 Millionen Dollar und feierte das Erreichen von 100 Millionen Nutzern. Doch diese Zahl verschleiert die Realität. Der Nettoverlust im selben Quartal belief sich auf schockierende 99 Millionen Dollar. Noch beunruhigender: Obwohl der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um 80 Millionen Dollar gestiegen war, hatten sich die Verluste fast verdoppelt.

Das Kernproblem sind die steigenden Kreditausfälle. Immer mehr Kunden können ihre Raten nicht zurückzahlen. Diese Verluste beliefen sich im ersten Quartal 2025 auf 136 Millionen Dollar – ein Anstieg von 17 %. Da Klarna die Händler aus eigenen, fremdfinanzierten Mitteln im Voraus bezahlt, wird die eigene Schuldenlast bei steigenden Ausfällen immer teurer. Die Kosten für die Schuldenfinanzierung kletterten auf 130 Millionen Dollar, nur für ein Quartal. Klarna steckt in genau der gleichen Spirale, in die es seine Kunden treibt.

Verzweifelte Sparmaßnahmen folgten. 2024 verkündete Siemiatkowski einen Einstellungsstopp mit der Begründung, Künstliche Intelligenz könne bereits "alle Jobs erledigen, die wir als Menschen tun". Nur ein Jahr später wurde diese Haltung stillschweigend revidiert und wieder Personal eingestellt – ein Eingeständnis, dass die übermäßige Abhängigkeit von KI entweder nicht die erhofften Erträge brachte oder zu massiven Qualitätseinbußen führte.

Die letzte große Hoffnung, ein Börsengang Anfang 2025, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Offiziell wegen ungünstiger Marktbedingungen. Doch Spekulationen liegen nahe, dass die Offenlegung der vollständigen Finanzzahlen im Rahmen eines Börsenprospekts das wahre Ausmaß der Schieflage offenbart und potenzielle Investoren abgeschreckt hätte.

Klarna klingt auf dem Papier wie ein Geniestreich. Doch es ist ein System, das Menschen in Schulden verleitet, von denen sie sich nur schwer befreien können. Es mag eine Lösung für Händler sein, schadet aber unzähligen Verbrauchern. Ironischerweise scheint das Unternehmen nun selbst an dem Modell zu scheitern, das es groß gemacht hat. Die glänzende Fassade des BNPL-Pioniers bröckelt, und dahinter kommt ein Milliardengrab zum Vorschein.