Nahost-Konflikt: Die Zersplitterung der Fronten – Hamas unter Druck in Gaza, während Huthi-Rebellen im Roten Meer eskalieren

Ein tödlicher Hinterhalt in Gaza offenbart die anhaltende militärische Bedrohung durch die Hamas. Doch Berichte über den massiven Kontrollverlust der Terrororganisation und das Aufkommen neuer Milizen zeichnen ein Bild des inneren Zerfalls. Gleichzeitig eskalieren die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen ihre Angriffe auf die internationale Schifffahrt mit neuer, tödlicher Präzision und die Hisbollah im Libanon schliesst ein Ende des Kampfes kategorisch aus. Eine Analyse der auseinanderdriftenden Dynamiken in einem zersplitterten Konflikt.

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Ein komplexer, mehrstufiger Hinterhalt im Norden des Gazastreifens hat am Vortag fünf israelischen Soldaten das Leben gekostet und 14 weitere teils schwer verletzt. Wie die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) mitteilten, ereignete sich der Vorfall während einer Operation in der Gegend von Beit Hanun, die darauf abzielte, die dortige Hamas-Infrastruktur zu zerschlagen. Infanterieeinheiten, die gepanzerte Fahrzeuge sicherten, gerieten in eine Falle aus drei Sprengsätzen, die in kurzen Abständen detonierten. Als Rettungskräfte zur Evakuierung der ersten Opfer eintrafen, eröffneten Hamas-Kämpfer das Feuer. Diese Kombination aus Sprengfallen und direktem Beschuss – ein sogenannter "komplexer Hinterhalt" – maximiert den Schaden und das Chaos und zielt darauf ab, die gegnerischen Kräfte in ihrer verletzlichsten Phase zu treffen: bei der Versorgung und Rettung von Verwundeten.

Die IDF erklärte, die Operation "Gideons Streitwagen" werde fortgesetzt, um die vom politischen Echelon definierten Ziele zu erreichen: die Zerstörung der Hamas und die Rückführung der Geiseln. Wie erwartet, instrumentalisiert die Hamas den Vorfall für ihre Propagandazwecke. In einer langen Erklärung feierte sie den "heldenhaften Widerstand", der die "Illusion einer Befreiung der Gefangenen durch Gewalt" zerschmettert und die "Streitwagen Gideons" in den Strassen von Beit Hanun verbrannt habe.

Doch während die Hamas nach aussen militärische Stärke demonstriert, bröckelt ihre Macht im Inneren des Gazastreifens offenbar dramatisch. Einem brisanten Bericht der BBC zufolge, der sich auf einen hochrangigen Offizier der Hamas-Sicherheitskräfte beruft, hat die Organisation rund 80 Prozent ihrer Kontrolle über das Gebiet verloren. Bewaffnete Clans und neue Milizen füllen das entstehende Machtvakuum.

Eine dieser neuen Kräfte, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die "Jassir-Abu-Shabab-Miliz". Diese Gruppe wirbt aggressiv um neue Mitglieder und präsentiert sich als Alternative zur Hamas. Eigenen, unbestätigten Angaben zufolge hätten sich bereits 6.000 Einwohner des Gazastreifens ihren bewaffneten Kräften anschliessen wollen, weitere 3.000 hätten sich für zivile Aufgaben wie den Wiederaufbau gemeldet. Fast 80.000 Menschen, so die Miliz, hätten darum gebeten, in die von ihr kontrollierten Gebiete in Rafah umzusiedeln.

Die wachsende Dreistigkeit dieser neuen Akteure zeigt ein Vorfall aus Al-Mawasi, bei dem Mitglieder der Abu-Shabab-Miliz angeblich ein Zelt von Hamas-Polizisten der "Sahm"-Einheit gestürmt, Schüsse in die Luft abgegeben und mehrere Personen entführt haben sollen. Ein gezielter Schlag gegen die Autorität der Hamas in einem Gebiet, in dem auch die IDF operiert. Die Miliz nutzt die Gunst der Stunde für eine PR-Offensive und verspricht, Rafah "ohne Gewalt, ohne Ausbeutung und ohne Terror auf einem Fundament von Gerechtigkeit und Sicherheit" wieder aufzubauen. Diese Entwicklung fügt sich in Pläne des israelischen Verteidigungsministers, in Rafah eine "humanitäre Stadt" für rund 600.000 Menschen zu errichten, die nach einer Sicherheitsüberprüfung dorthin gebracht werden sollen. Eine palästinensische Kraft wie die Abu-Shabab-Miliz könnte aus israelischer Sicht als potenzieller Partner für die Sicherheitsverwaltung einer solchen Zone erscheinen.

Während sich in Gaza die Machtverhältnisse verschieben, senden andere vom Iran unterstützte Gruppen Signale der unnachgiebigen Konfrontation. Im Libanon bekräftigte der stellvertretende Hisbollah-Führer Naim Qassem, dass seine Organisation die Waffen nicht niederlegen werde, solange Israel Gebiete im Südlibanon besetzt halte und seine Angriffe fortsetze. In einem bemerkenswerten Interview gab Qassem zudem an, die Hisbollah sei wie der Rest der Welt am Morgen des 7. Oktober von dem Hamas-Angriff überrascht worden. Man habe sich daraufhin für eine "Unterstützungskampagne" entschieden, nicht aber für einen totalen Krieg, da die Vorbereitungen dafür gefehlt hätten. Die Idee einer "einheitlichen Front" der iranischen Proxys, so Qassem, sei ein Konzept gewesen, "das nie ausgereift ist oder Form angenommen hat". Diese Aussage wirft ein bezeichnendes Licht auf die tatsächliche Koordination innerhalb der sogenannten "Achse des Widerstands".

Die gefährlichste Eskalation der letzten Tage geht jedoch von den Huthi-Rebellen im Jemen aus. Nach einer relativen Ruhe haben sie ihre Angriffe auf die kommerzielle Schifffahrt im Roten Meer drastisch intensiviert. Sie veröffentlichten Videomaterial, das die Versenkung des griechischen Frachters "Magic Seas" zeigt. Zuerst wurde das Schiff mutmasslich von einer Drohne getroffen, bevor Huthi-Kämpfer an Bord gingen, Sprengsätze platzierten und das Schiff gezielt zur Detonation brachten. Kurz darauf wurde ein weiteres griechisches Schiff, die "Eternity Sea", angegriffen. Bei diesem Angriff gab es Berichten zufolge erstmals seit Monaten wieder Todesopfer: Zwei Seeleute wurden getötet, zwei weitere werden vermisst.

Diese Angriffe stellen eine signifikante Eskalation dar, da sie nicht nur zu Sachschäden führen, sondern nun auch wieder Menschenleben fordern und die Angriffe sich nicht mehr nur auf als israelisch deklarierte Ziele beschränken. Die USA verurteilten die Attacken, signalisierten jedoch bisher keine Wiederaufnahme direkter Militärschläge gegen die Huthis. Ein fragiler, informeller Waffenstillstand – "wir bombardieren euch nicht, solange ihr keine US-Schiffe angreift" – scheint vorerst zu halten. Doch mit jedem versenkten Schiff und jedem Todesopfer steigt der Druck auf Washington, die Freiheit der Schifffahrt robuster durchzusetzen.

Die Lage im Nahen Osten präsentiert sich somit zersplitterter denn je. Während die Hamas in Gaza mit einem internen Machtverlust konfrontiert ist, der neue Akteure auf den Plan ruft, zeigen sich die anderen Fronten des regionalen Konflikts unnachgiebiger und eskalationsfreudiger. Die Theorie einer monolithischen, koordinierten Bedrohung durch Irans Proxys hat Risse bekommen, doch die einzelnen Akteure beweisen ihre Fähigkeit, den internationalen Handel und die regionale Stabilität empfindlich zu stören.