Ein neuer, düsterer Höhepunkt der Gewalt erschüttert die internationalen Schifffahrtsrouten. Innerhalb von nur zwei Tagen versenkte die jemenitische Huthi-Miliz zwei zivile Handelsschiffe im Roten Meer. Die Angriffe auf die griechischen Frachter „Magic Seas“ und „Eternity Sea“ markieren eine dramatische Eskalation, die nicht nur die regionale Stabilität, sondern auch die globalen Lieferketten bedroht. Besonders der Angriff auf die „Eternity Sea“ endete in einer Tragödie: Mindestens vier Besatzungsmitglieder wurden getötet, weitere werden noch vermisst. Während die Huthis ihre Taten zelebrieren und mit Videomaterial prahlen, herrscht im Westen eine beunruhigende Stille.
Die Angriffe erfolgten mit einer Kombination aus Drohnen und Raketen, abgefeuert von Huthi-kontrolliertem Territorium im Jemen. Die Aufnahmen, welche die Miliz selbst verbreitete, zeigen massive Detonationen auf den unverteidigten Schiffen. Es sind Bilder, die den asymmetrischen Charakter dieser Auseinandersetzung brutal vor Augen führen: Hochgerüstete Militärtechnik trifft auf zivile Seeleute, deren einzige Verteidigung die Hoffnung ist, nicht ins Visier zu geraten.
Die Huthis bekennen sich offen zu den Angriffen und rechtfertigen sie als Teil ihrer Blockade gegen Israel. In einer Erklärung liessen sie verlauten: „Die Marineoperationen, die zwei Schiffe von zuwiderhandelnden Unternehmen versenkten, bestätigen die feste Haltung, die Schifffahrt für den israelischen Feind zu verbieten, solange die Aggression und die Blockade des Gazastreifens andauern.“ Diese Rhetorik verfolgen sie konsequent seit Beginn ihrer Angriffe im November 2023. Doch die Realität der Zielauswahl ist weitaus willkürlicher. In der Vergangenheit trafen ihre Raketen bereits Schiffe, die humanitäre Hilfe für den Jemen lieferten, oder chinesische Tanker mit russischem Öl an Bord – ohne jegliche Verbindung zu Israel.
Besonders alarmierend ist die Reaktion der internationalen Gemeinschaft, allen voran der USA. Trotz der Präsenz von zwei Flugzeugträgerkampfgruppen in der Region scheint eine entschlossene militärische Antwort auszubleiben. Zwar gab es unter der Trump-Administration eine Phase offensiverer Schläge gegen Huthi-Stellungen, doch deren Erfolg war umstritten. Die Miliz feuerte auch während dieser Zeit beständig weiter auf US-Kriegsschiffe. Im Mai kam es zu einem bilateralen Waffenstillstand zwischen den USA und den Huthis, der jedoch Angriffe auf zivile Schiffe und Israel explizit ausklammert. Diese Lücke nutzen die Huthis nun gnadenlos aus. Die USA begnügen sich mit scharf formulierten Verurteilungen – eine Strategie, die von den Huthis offensichtlich als Freibrief verstanden wird.
Die Folgen sind bereits spürbar. Der Schiffsverkehr durch die strategisch wichtige Meerenge Bab al-Mandab ist auf etwa 60 Prozent des normalen Niveaus gesunken. Reedereien und Versicherungen scheuen das unkalkulierbare Risiko. Die Huthis haben damit bewiesen, dass eine relativ kleine, aber entschlossene Terrorgruppe in der Lage ist, eine der Lebensadern des Welthandels empfindlich zu stören. Sie müssen nicht jedes Schiff versenken; die blosse Androhung reicht aus, um eine Atmosphäre der Angst zu schaffen und die globalen Lieferketten zu lähmen.
Diese Entwicklung sendet eine gefährliche Botschaft an andere destabilisierende Akteure weltweit: Der Westen ist möglicherweise nicht mehr bereit oder in der Lage, die Freiheit der Meere mit letzter Konsequenz zu verteidigen. Man kann ihn aussitzen, solange man nicht direkt amerikanische Interessen angreift. Die Sorge wächst, dass dieses Zögern als Blaupause für ähnliche Aktionen an anderen maritimen Engpässen wie der Strasse von Hormus dienen könnte.
Parallel zu den Ereignissen im Roten Meer intensiviert sich der Konflikt im Gazastreifen. Hamas meldet erfolgreiche komplexe Angriffe auf israelische Truppen, bei denen zuletzt fünf Soldaten getötet und über ein Dutzend verletzt wurden. Die Terrororganisation ruft ihre Anhänger im Westjordanland zu einem verstärkten Aufstand auf und fokussiert sich wieder verstärkt auf die Entführung von Soldaten. Die israelische Armee (IDF) reagiert mit einer Intensivierung ihrer Operationen, insbesondere in Chan Yunis und Beit Hanun. Sie dringt in Gebiete vor, die bisher als Hochburgen der Hamas galten, was zu heftigeren und verlustreicheren Direktkonfrontationen führt.
Beide Konfliktherde – das Rote Meer und Gaza – sind untrennbar miteinander verbunden und zeigen das gleiche Muster: Eine Eskalation der Gewalt, die von einer zögerlichen internationalen Gemeinschaft begleitet wird. Die Versenkung ziviler Schiffe und die Tötung von Seeleuten scheinen nicht mehr auszureichen, um eine geeinte und entschlossene Antwort hervorzurufen. Solange die Huthis ungestraft agieren können, werden sie ihre Angriffe fortsetzen – und die Welt wird den Preis dafür zahlen.