Politiker sind auch nur Menschen. Das vergessen wir manchmal, besonders, wenn sie wieder mal etwas behaupten, das sie kurz darauf selbst widerlegen. Menschen denken ja immer zuerst an sich selbst – und Politiker, wie könnte es anders sein, handeln auch vor allem aus Eigeninteresse. Hust, Söder, hust. Manchmal könnte man meinen, sie hätten in der Politik eine Schnellkurs-Ausbildung im Meinung-wechsel-dich-Spiel gemacht. Aber seien wir ehrlich: Wer würde es nicht genauso machen, wenn es der Karriere dient?
Die CDU steht jetzt vor einer spannenden Frage: Was macht man eigentlich, wenn man in der Opposition so laut getrommelt hat, dass man plötzlich in der Lage ist, viele seiner Forderungen umzusetzen? Beispielsweise die Migration einzuschränken oder die Atomkraftwerke wieder hochzufahren. Theoretisch könnte sie das alles jetzt durchziehen – und zwar mit den Stimmen der AfD. Nur, was dann? Ein bisschen fühlt sich das an wie ein Politiker-Game: „Was schadet meinem Image mehr: Nichts tun oder mit der AfD stimmen?“
Hier stellt sich aber eine grundsätzliche Frage. Wird eine Meinung automatisch falsch, nur weil sie auch von jemandem vertreten wird, den man nicht leiden kann? Natürlich nicht. Stellen Sie sich vor, Sie und Ihr schlimmster Feind sitzen in einem Raum. Beide sagen: „Wasser ist wichtig zum Überleben.“ Würden Sie da etwa widersprechen, nur weil Sie ihn hassen? Blödsinn! Die Wahrheit bleibt die Wahrheit, auch wenn sie von jemandem ausgesprochen wird, den Sie nicht mal zum Kaffeetrinken einladen würden.
Die CDU könnte also ihre Forderungen zur Verschärfung des Asylrechts auf den Tisch legen. Die AfD wäre schön blöd, nicht mit abzustimmen – auch wenn es den Rechten wahrscheinlich nicht weit genug ginge. Doch die CDU fragt sich strategisch: Lohnt es sich wirklich, bei der nächsten Bundestagswahl von Wählern als AfD-light wahrgenommen zu werden – als Partei, die genau die Politik macht, deren Vertreter sie sonst vehement verteufelt?
Jetzt kommen wir zum Teil mit dem Gemüsehändler, meinem Lieblingsbeispiel. Stellen Sie sich einen alteingesessenen Laden vor. Der Besitzer hat über Jahre hinweg sein Sortiment verändert, um mit der Zeit zu gehen. Bio-Gemüse hier, vegane Superfoods da – nur ein paar alte Stammkunden trauern den klassischen Kartoffeln nach. Dann zieht ein neuer Gemüsehändler in die Nachbarschaft ein, der genau das alte Sortiment wieder anbietet. Und siehe da: Kunden strömen zu ihm.
Was macht der alte Händler? Natürlich das, was man in solchen Situationen immer tut: Er behauptet, das Gemüse des Neuen sei verdorben. Nicht nur das – er ruft sogar beim Gesundheitsamt an, klagt über unzumutbare hygienische Zustände und warnt die Nachbarschaft vor einer gesundheitlichen Katastrophe. Über Jahre zieht sich der Streit hin, begleitet von immer neuen Anschuldigungen. Doch eines Tages passiert das Unglaubliche: Die beiden eröffnen zusammen einen Laden! Ja, genau, dieselben Händler, die sich vorher bekämpft haben. Sie bündeln ihre Kräfte und verkaufen gemeinsam ihre Verkaufsschlager. Stellen Sie sich die Gesichter der Kunden vor, die sich fragen: „Verkauft ihr jetzt auch verdorbenes Gemüse?“
Und hier ist die CDU. Was sie über Jahre mit der AfD gemacht hat, ist klar: Dämonisieren. Und zwar aus gutem Grund. Die AfD ist für die CDU eine Bedrohung, weil sie in bestimmten Themen zu nah dran ist. Wenn zwei Händler dasselbe Produkt verkaufen, wird es gefährlich. Also muss die CDU die AfD als „schlechtes Produkt“ inszenieren – zumindest solange, wie es politisch opportun ist. Sobald es machtpolitisch Sinn macht, wird die CDU auch diese Linie aufgeben. Nicht vorher, aber auch nicht später.
Ein Beispiel? Die Grünen. Denken wir an Friedrich Merz – Sie kennen ihn. Noch im September 2023 erklärte er kategorisch: „Mit den Grünen wird es keine Koalition geben.“ Die Grünen waren der politische Feind, den man am besten kleinredet – wie der alte Händler, der das Gemüse des Neuen schlechtmachen musste. Doch schon im Februar 2024 klang das ganz anders: „Auch Schwarz-Grün ist eine Koalitionsoption.“ Warum der Sinneswandel? Weil Macht immer wichtiger ist als Prinzipien. Ein Schelm, wer hier an Prinzipientreue glaubt.
Manche nennen das opportunistisch, aber seien wir ehrlich: Es ist clever. Die CDU bleibt flexibel und bewahrt sich alle Optionen für die kommende Wahl. Das bedeutet nicht, dass sie unseren Wohlwollen bekommt – aber zumindest etwas von unserem Verständnis. Ihre Strategie mag uns nicht gefallen, doch sie ist rational.